Preisanpassungen im Firmenkundengeschäft
Die Preise etwa für Rohstoffe oder Vorprodukte steigen seit Monaten. Was gilt für die Weitergabe der explodierenden Kosten?
Coronapandemie, Ukraine-Krieg, internationale Handelskonflikte, gestörte oder gänzlich unterbrochene Lieferketten und ein zunehmender Mangel an qualifizierten Arbeitskräften – so unterschiedlich diese Krisen sind, haben sie doch eine gemeinsame Auswirkung: Sie erweisen sich als massive Preistreiber. Für viele Unternehmen stellt sich deshalb die Frage, ob eine Preisanpassung im Rahmen bestehender B2B-Verträge möglich ist und wie bei neu abzuschließenden Verträgen vorgesorgt werden kann.
Der Grundsatz
Grundsätzlich gilt, wie stets im Vertragsrecht: pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten. Wer einen Vertrag geschlossen hat, soll und muss sich auf das verlassen können, was vereinbart wurde. Das deutsche Recht eröffnet deshalb nur in extremen Fällen Möglichkeiten zur nachträglichen Vertragsanpassung. Ist in einem bestehenden Vertrag also ein fester Preis für die gesamte Leistung oder pro Mengeneinheit vereinbart, muss zu diesem Preis geliefert werden. Das Beschaffungsrisiko trägt der Verkäufer, veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind von den Vertragsparteien hinzunehmen. Auch sind Preissteigerungen auf dem Beschaffungsmarkt nie ein Kündigungsgrund.
Die (seltene) Ausnahme
Für ganz extreme Fälle kennt das Bürgerliche Gesetzbuch eine Ausnahme von diesem Grundsatz der Vertragstreue. Unter der Überschrift „Störung der Geschäftsgrundlage“ bestimmt § 313 BGB, dass eine Anpassung des Vertrages verlangt werden kann,
- wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss verändert haben und die beteiligten Parteien den Vertrag so nicht geschlossen hätten, sofern sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, und
- wenn einer Vertragspartei das Festhalten am Vertrag unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung nicht zugemutet werden kann.
Besonders die zweite Voraussetzung legt die Messlatte für eine Anpassung oder gar Aufhebung des Vertrages sehr hoch, denn sie darf nicht zu einer Veränderung der gesetzlich bestimmten oder vertraglich vereinbarten Risikoverteilung führen, und das Beschaffungsrisiko trägt ja, wie bereits dargestellt, der Verkäufer. Dementsprechend restriktiv ist die Rechtsprechung bei der Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage. Sie kommt nur bei ganz exorbitanten Preissteigerungen aufgrund eines für alle Beteiligten völlig überraschend eingetretenen Ereignisses in Betracht. Selbst Preissprünge von 20 Prozent reichen hier nicht aus.
Unbenommen ist es jedem Unternehmer natürlich, den vereinbarten Preis mit seinem Vertragspartner nachzuverhandeln. Besteht der Kunde aber auf Erfüllung zu den ursprünglichen Konditionen, muss der Lieferant den Vertrag so erfüllen.
Die Vorsorge
In der Praxis dürfte es also nur in seltenen Ausnahmefällen möglich sein, im Rahmen eines bestehenden Vertrages eine Preisanpassung zu erzielen oder gar zu erzwingen. Umso wichtiger ist es beim Abschluss neuer Verträge, Vorsorge für den Fall einer weiteren Verteuerung von Rohstoffen Vorprodukten und Dienstleistungen zu treffen. Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Eine Vorbehaltsklausel kann eine nachträgliche Preisanpassung bei gestiegenen Materialpreisen ermöglichen. Allerdings ist bei der Formulierung einer solchen Klausel Vorsicht geboten, denn wenn sie hinsichtlich der Voraussetzungen einer Preisanpassung und ihrer möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen intransparent ist, besteht die Gefahr, dass ein Gericht sie für unwirksam erklärt.
- Etwas weniger problematisch sind Preisgleitklauseln, die eine Preiserhöhung – gegebenenfalls aber auch eine Preissenkung – vorsehen, wenn ein definierter Indexwert eine bestimmte Schwelle über- beziehungsweise unterschreitet. Als Indexwert kann zum Beispiel der Einkaufspreis auf einem definierten Markt in Betracht kommen. Auch hier müssen die Rahmenbedingungen aber klar und nachvollziehbar geregelt sein und dürfen dem Verkäufer nicht das Tor zu nicht nachvollziehbaren oder willkürlichen Preiserhöhungen öffnen.
- Besonders bei Verträgen mit langer Laufzeit kann es sinnvoll sein, ein sogenanntes Change-Order-Verfahren zu vereinbaren. Dabei legen die Vertragsparteien einen standardisierten Prozess fest, der zu durchlaufen ist, wenn eine Vertragspartei eine Anpassung für erforderlich hält. Entsprechende vertragliche Regelungen sehen in der Regel die Einleitung des Verfahrens durch eine formelle Änderungsanfrage vor und definieren das dann geltende Prozedere im Einzelnen. Meist wird dabei auch die Hinzuziehung eines Schiedsgutachters vorgesehen. Stets ist bei diesem Verfahren eine Einigung der Vertragsparteien erforderlich, eine einseitige Vertragsanpassung kann so nicht bewerkstelligt werden.
Bei allen vertraglichen Gestaltungen, die nachträgliche Preisanpassungen ermöglichen sollen, lauern Fallstricke. Sie müssen genau auf den jeweiligen Einzelfall angepasst sein und einer gerichtlichen Prüfung standhalten. Und das geht kaum je ohne fachkundigen Rat! Völlig unverzichtbar ist eine umfassende Beratung, wenn für den Vertrag nicht das deutsche Recht gilt, sondern eine ausländische Rechtsordnung.
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